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„Wenn der Liftboy nicht zittert, ...”

Tischgespräch mit Bernhard Bohnenberger


Ein Gespräch über alte Hotel-Hierarchien, intelligenten Luxus, große Krisen, rettende Zufälle und wie ein Pegasus für neue Stabilität sorgte.


Im dunkelblauen Anzug mit Einstecktuch und in auf Hochglanz polierten Schuhen sieht Bernhard Bohnenberger ganz fremd aus. Wenn wir uns sonst treffen, trägt er kurze Hosen, ein helles Leinenhemd und ist in der Regel barfuß unterwegs. Ich muss zweimal hinschauen, bevor ich ihn erkenne. Für unser Gespräch haben wir uns im altehrwürdigen Hotel Plaza Athénée in Paris verabredet. Bei der Begrüßung unter dem schweren Kronleuchter in der Eingangshalle spüren wir den strengen Blick des Concierge im Rücken und müssen beide schmunzeln. Bernhard Bohnenberger, den alle nur BB nennen, ist Präsident von Six Senses, den wundervollen Luxusresorts mit Dependancen in der ganzen Welt, in die ich als Reisedesignerin schon seit vielen Jahren meine Kunden schicke. Dort geht es so ganz anders zu als hier in Paris. Das Abendessen wird am Strand, im Baumhaus oder im romantischen Weinkeller serviert, die Kleiderordnung ist super casual, die Angestellten kümmern sich mit Hingabe um ihre Gäste, aber nicht unbedingt immer streng um die Etikette. Kürzlich bat BB den Premierminister von St. Kitts, den Vertrag für den Standort eines neuen Strandresorts nicht am Schreibtisch, sondern mit den Füßen im Meer zu unterschreiben. Das Foto davon spricht Bände. Der Herr Premierminister wird dieses Erlebnis so schnell nicht vergessen. Sie sind verwundert, dass ausgerechnet der Mann, der für dieses unkonventionelle Konzept steht und dem keine Idee zu verrückt ist, mein Gesprächspartner zum Thema Stabilität ist? Meine Antwort: gerade deswegen!


STEPHANIE ELINGSHAUSEN: Wir feiern heute Premiere. Das hier ist unser erster hochoffizieller Business Lunch. Dabei kennen wir uns schon seit so vielen Jahren. 1991 habt ihr mit Six Senses angefangen…


BERNHARD BOHNENBERGER:… und du hast etwa ein Jahr später C&M Travel Design gegründet. Damit warst du die Erste, die auf dem deutschen Markt maßgeschneiderte Luxusreisen angeboten hat. Du hast unsere Resorts für deine Kunden entdeckt, als uns noch niemand kannte. Das war mutig.


STEPHANIE: War es nicht, ich war ja zuvor bei euch und hatte mich persönlich überzeugt, dass das, was ihr da auf die Beine gestellt hattet, großartig war. Ihr habt in der Zeit den Barfußluxus erfunden und die Malediven für den gehobenen Tourismus überhaupt erst interessant gemacht. Vorher gab es auf den Inseln nur kleine Hütten ohne fließendes Wasser und zum Abendessen täglich Leipziger Allerlei aus der Dose. Das ist lange her, ich bin erstaunt, dass wir beide immer noch die gleiche Firma auf der Visitenkarte haben.


BB: 27 Jahre in einem Unternehmen zu arbeiten, ist in unserer Branche wirklich super selten. Aber Six Senses ist meine Familie, meine Lebensaufgabe. Es ist genau das, was ich immer machen wollte.


“Wer durch die Tür kommt, der betritt eine andere Welt.” Bernhard Bohnenberger

STEPHANIE: Die Leidenschaft für die Hotelbranche wurde dir ja bereits in die Wiege gelegt. Du stammst aus einer großen Schweizer Hotelierfamilie und hast an der altehrwürdigen Hotelfachschule in Lausanne gelernt.


BB: Danach war ich im Vierjahreszeiten in München, im Baur au Lac in Zürich, im Hilton in Genf und in Hongkong, als das Hilton noch zu den Besten gehörte. Aber je tiefer ich in dieses traditionelle Hotelbusiness eintauchte, desto klarer wurde mir: Das ist nicht meins.


STEPHANIE: Warum?


BB: Weil ich selber ungern in solchen Hotels lebe. Da wird alle fünf Jahre mal ein wenig renoviert, und ansonsten macht man sich Gedanken darüber, welche Promotion man für die Nachsaison noch schnell bewirbt und was man zu Weihnachten auf die Beine stellt. Konzepte von anno Tobak. Ich wollte mehr als das. Ich wollte es anders machen, ganz anders!


Am Nachbartisch wird gerade der Wein verköstigt, wir schauen dem livrierten Kellner zu, der ganz gemäß alter Schule den linken Arm hinter dem Rücken platziert und mit rechts leicht gebeugt das Glas füllt. Hmmm, denke, ich weiß was er meint.


STEPHANIE: Mit Six Senses hast du dir quasi deine eigene Hotelwelt geschaffen. Ihr habt damals wie heute völlig neue Konzepte kreiert. Anstatt opulenter Suiten wurden Pavillons gebaut mit Privatsphäre und XXL Day Beds, aus engen Spa-Kabinen wurden Erlebniswelten und aus langweiligen Restaurants Live-Küchen. Damit habt ihr die Hotelszene revolutioniert.


BB: Einem klassischen Hotel geht es in erster Linie darum, Zimmer zu verkaufen. Unsere Herangehensweise war und ist ganz anderes. Wir wollen, dass die Menschen nicht nur ausgeschlafen, sondern auch mit wundervollen neuen Erfahrungen zurückreisen.


STEPHANIE: Ihr habt quasi den Trend gesetzt und seid ihm nie gefolgt. Das hat Spaß gemacht, aber auch viel Kraft gekostet.


BB: Schon, aber wir waren uns absolut sicher, dass wir den richtigen Ansatz verfolgen. Wir haben einfach von uns selbst auf andere geschlossen und so unsere Vision entwickelt: Wer findet es schon cool, um die halbe Welt zu fliegen, um dann abends im Cocktailkleid unter einem Kronleuchter zu sitzen und Austern aus der Bretagne zu schlürfen? Hier in Paris in der Avenue de Montaigne passt das. Aber im Indischen Ozean eben nicht. Wir verzichten dort also auf importierte Foie Gras und Lachs, stattdessen servieren wir lokale Speisen. Das schont die Umwelt, ist gesünder für die Gäste und spart uns sogar noch Geld.

STEPHANIE: Umwelt- und Tierschutz waren bei euch von Anfang an Teil des Konzepts. Dafür hat man euch damals als Ökos verspottet. Man nannte euch ‚Tree-Huggers‘.


BB: Dabei war unser Engagement gar nicht rein idealistisch. Die Menschen fahren auf die Malediven wegen der schönen Natur über und unter Wasser. Da ist es doch nur logisch, dass ich mich als Hotelier dafür einsetze, dass das Ökosystem intakt ist. Es fördert nicht gerade das Urlaubsfeeling, wenn man Zeuge wird, wie taiwanesische Fischer den Haien bei lebendigem Leibe die Flossen abschneiden oder Schildkröten brutal abgeschlachtet und als Suppenfleisch nach China verkauft werden. Wir haben da an höchster Stelle bei der Regierung angesetzt und eine Kampagne gestartet. Mit Erfolg. Auf den Seychellen, in Vietnam und an vielen anderen Orten versuchen wir, das Ökosystem nicht nur zu schützen, sondern es aktiv wiederherzustellen. Da haben wir – zusammen mit Experten – alle Pflanzen, die durch fremde Siedler eingeschleppt worden waren, entfernt und ursprüngliche Spezies wieder angesiedelt.


STEPHANIE: Auch dass bei euch das Personal sehr viel fröhlicher und ungezwungener mit den Gästen umgeht, ist kein Zeichen von Laissez-faire, sondern ist Teil der Philosophie?


BB: Unbedingt. Was mich an der alten Hotellerie immer extrem stört, ist diese künstliche Atmosphäre und der Militärdrill, der dort vorherrscht. Alles funktioniert hierarchisch, man darf keinen Spaß bei der Arbeit haben. Gebrülle und Geschimpfe gehören dazu. Wenn der Liftboy nicht vor seinem Chef zittert, dann stimmt was nicht. Was soll das? Das spürt auch der Gast, und das passt so gar nicht in ein entspanntes Umfeld. Mir sind Mitarbeiter mit einer positiven Grundhaltung lieber als solche mit viel Wissen und Arroganz.


STEPHANIE: Die Idee des intelligenten Luxus ist das Fundament eures Erfolgs. Ihr habt damals recht schnell und stark expandiert und auch Konzepte wie Soneva und Evason vorangetrieben. 2012 gingen die Marken, mit recht kräftigem Getöse innerhalb der Branche, auseinander. Warum seid ihr da ins Straucheln geraten?

BB: Der Hauptinvestor, dem sehr viele Hotels gehörten, war auch in das Management eingebunden. Als er, aus Gründen die nichts mit unserem operativen Geschäft zu tun hatten, in finanzielle Schwierigkeiten kam, hat er uns sozusagen mitgerissen.


STEPHANIE: Ihr habt die Krise als Chance genutzt, euch einen neuen Investor gesucht und euch völlig neu aufgestellt.


BB: Heute ist Six Senses eine reine Management-Gesellschaft. So wie die meisten Marken, die man kennt, etwa die Hotels Four Seasons, Hyatt, Marriott oder Hilton, gehören uns die Häuser nicht. Wir schließen Verträge mit den Besitzern ab, die meistens über 40 Jahre oder noch länger laufen, und konzentrieren uns auf unsere Arbeit.


STEPHANIE: Pegasus, der Private-Equity-Fonds aus den USA, ist heute euer Haupteigentümer. Du und einige weitere Führungskräfte behielten ihre Anteile. Wie kam es dazu?


BB: Das war absoluter Zufall. Wir hatten schon mit einigen Investoren gesprochen, als eines Tages ein Direktor von Pegasus zum Honeymoon in eines unserer Resorts reiste. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte uns, dass diese globale Kapitalgruppe 2,5 Milliarden Dollar verwaltet und sich auf die Geschäftsfelder Nachhaltigkeit und Gesundheit konzentriert. Bislang hatten sie Superfood, Naturmedizin und Müll-Recycling im Portfolio, aber noch keine Hotels. Da waren wir die Ersten, aber passten perfekt rein.


STEPHANIE: Private-Equity-Fonds sind ja auch manchmal umstritten. Sie lassen ihren Zögling fallen, wenn er nicht schnell genug marschiert.


BB: Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir die Firma restrukturieren wollen und dass wir dafür viele Millionen und auch Zeit brauchen. Unser Ziel war es, unser Profil zu schärfen und vom Wildwuchs der vergangenen 20 Jahre zu befreien, um dann mit frischer Kraft global wachsen zu können. Wir haben ihnen ganz offen gesagt, dass sie vier bis fünf Jahre Geld reinstecken und nichts rausholen werden. Diese Zeit ist jetzt vorbei, und es dreht. 2018 machen wir Profit.


STEPHANIE: Was habt ihr verändert?


BB: Vieles lief in der Vergangenheit zwar erstaunlich gut, aber war doch recht chaotisch organisiert. Wir haben im Finanz- und Personalwesen, im Bereich Technik und beim Training unserer Leute professionelle Strukturen geschaffen, die das Kreative aber nicht ersticken, sondern fördern. Viele Veränderungen sind ganz profan – so wie eine neue Website oder ein neues Computersystem, das Karteikästen und Zettelwirtschaft abschafft. Viele Mittelständler werden diese Probleme kennen. Es ist kein Teufelswerk, die Strukturen zu ändern, aber es kostet Zeit und Geld, das anzugehen.


STEPHANIE: Ihr habt heute ganz offiziell einen Vizepräsidenten für Nachhaltigkeit.


BB: Seine Aufgabe ist es, die Ökobilanz zu verbessern und so am Ende Kosten einzusparen. Wir sind heute an all unseren Standorten fast plastikfrei, und in Fidschi setzen wir erstmals zu 100 Prozent auf Solarenergie.


STEPHANIE: Pegasus hat euch also – genau wie es der Name verspricht – Flügel verliehen, und jetzt seid ihr bereit, in den Hotel-Olymp aufzusteigen? Mir ist, als würde täglich ein neues Six Senses irgendwo auf der Welt aufmachen.

BB: Es tut sich was, wir expandieren. Derzeit gibt es international 15 Hotels und 32 Spas, die unter unserem Namen firmieren. 37 neue Projekte sind unterschrieben, bei 100 weiteren sind wir im Gespräch.


STEPHANIE: 100! Habt ihr keine Angst, den Überblick zu verlieren?


BB: Ich bin mir sicher, dass wir jetzt, in der Kombination aus lang erprobter Philosophie und den entsprechenden finanziellen Mitteln, eine so große Stabilität hergestellt haben, dass wir uns da keine Sorgen machen müssen. Außerdem werden aus den 100 Gesprächen am Ende nur zehn oder zwanzig reale Projekte. Aber ich sehe es als ein großes Kompliment und ein gutes Zeichen, dass unser Konzept offenbar überzeugt. Früher war Six Senses ein unbekanntes Nischenprodukt. Wenn ein Besitzer heute ein neues Management sucht, dann stehen wir auf der Liste neben den großen Playern wie dem Mandarin Oriental oder Four Seasons. Das ist schon was.


STEPHANIE: Die Liste eurer neuen Destinationen liest sich fantastisch: Kambodscha, Indien, China, Bhutan. Wahnsinnig spannende Resorts, aber ihr verfolgt gleichzeitig auch ein völlig neues Konzept. Six Senses wird urban.


BB: Six Senses ist eigentlich ja viel mehr als ein Hotel, es ist ein Lifestyle. Wir wollen unsere Gäste nicht nur einmal im Jahr, sondern so oft wie möglich in unsere Welt der sechs Sinne entführen. Dafür bringen wir die Six-Senses-DNA in die City.

STEPHANIE: Euer erstes Stadthotel ist das Duxton in Singapur. Das hat erst vor zwei Monaten eröffnet. Was unterscheidet euch da von einem hübschen Boutique-Hotel?


BB: Wer durch die Tür kommt, der betritt eine andere Welt. In den City-Hotels geht es entspannt und ohne große Formalitäten zu. Wir haben keinen Dresscode, auch die Einrichtung ist nicht pompös. Wir setzen auf viel Grün und unterstreichen die lokale Kultur. Wer im Duxton ankommt, der bekommt am Check-in erst einmal eine chinesische Puls-Diagnose und einen darauf angepassten Kräutersaft als Begrüßungsdrink. Wer Lust hat, der kann sich an der Alchemiebar seine eigene Zahncreme oder eine Gesichtsmaske mixen.


STEPHANIE: 2020 wollt ihr in New York eröffnen.


BB: Neben dem Hotelbetrieb mit 130 Zimmern werden wir 250 Appartements im Paket mit dem Six-Senses-Konzept verkaufen. Die Wohnungen haben eine gesunde Klimaanlage mit bester Luft, die Wasserqualität wird hervorragend sein, und die Baustoffe sind aus Naturmaterialien. Dazu kommt der Service. Wir organisieren das Housekeeping, einen Babysitter, einen Chauffeur, füllen den Kühlschrank mit frischem Gemüse, das wir selber auf dem Dachgarten anbauen – und das mitten in Chelsea, zwischen der 17. und der 18. Straße!


STEPHANIE: Mit diesem Konzept geht ihr ebenfalls global?


BB: Wir sind in Gesprächen über London, Paris, Tokio, San Francisco, Shanghai und Bangkok.


STEPHANIE: Bangkok ist deine Homebase.


BB: Schon seit 1991. Eine Stadt, in der sich viel bewegt. Für einen Querdenker wie mich das perfekte Zuhause.


STEPHANIE: Wir haben über die neue Stabilität bei Six Senses gesprochen, wer gibt dir die privat?


BB: Ich habe einen wunderbaren Partner an meiner Seite, mit dem ich seit 22 Jahren zusammen bin. Das ist mein emotionaler (Equity) Fonds.

Die Zeit mit BB ist wie im Flug vergangen. Nach dem gemeinsamen Essen schlendere ich durch die Lobby des Plaza Athénée. Im Wintergarten wird gerade der Tee serviert. Aus silbernen Kannen schenken die Kellner Earl Grey aus, auf den Etageren sind zauberhafte Petit Fours und Macarons in zarten Pastelltönen drapiert. Vor dem Fenster sitzt eine Harfenistin in einem hochgeschlossenen, dunkelblauen Kleid, der warme Klang ihres Instruments umhüllt die Gäste. Eine perfekte Inszenierung. Alles passt. Ich bleibe stehen, lausche und fühle mich dabei ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Irgendwie hat das doch was, und hier passt es auch hin.

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