Mamma Mia!
Man nehme: einen edlen Katamaran, eine herzliche Crew und kreuzt das passende Wetter an – Garantie für einen gelungenen Segeltörn. Bis hier ist alles noch ‚normal’ – edle Schiffe, gute Crews und passendes Wetter gibt es fast überall auf der Welt. Wenn die Macher hinter einem solchen Projekt aber Giorgia und Stefano Barbini heißen, Mamma Mia, dann kann man sich auf eine Überraschung einstellen.
Mit ihrer San Lorenzo Mountain Lodge auf 1200 Metern in den Südtiroler Alpen hat sich das Ehepaar aus der italienischen Modebranche schon seit einigen Jahren in die Herzen der Gäste zu Land – oder besser zu Berge – gekocht. Mit ihrem Katamaran ‚Blue Deer’ geht diese Erfolgsstory jetzt auf dem Wasser weiter.
Die Barbinis entführen den Gast in ein Italien, das noch herrlich ursprünglich ist. Weg von dreisprachigen Speisekarten und glitzernden Yachthäfen hin zu den echten, versteckten Juwelen auf kleinen Inseln und in unberührten Buchten.
Mein kurzes Wochenende startete in Gaeta, ein kleines Städtchen, zwei Stunden südlich von Rom, wo die Zeit stehen geblieben ist. Man spricht italienisch, man gestikuliert laut, und - man isst italienisch. Die nette Wirtin neben dem Bahnhof servierte uns ein paar Nudeln mit Thunfisch, die zum Niederknien waren.
Auf dem Weg zum kleinen Hafen sahen wir dann die ‚Blue Deer‘ schon aus der Ferne. Ein prächtiger Katamaran mit knapp 23 Metern und in Natura um ein Vielfaches größer als es die Fotos erahnen lassen.
Schuhe ins Säckchen, Shorts an, Sonnencreme verteilt und schon sieht man das kleine Städtchen am Horizont verschwinden. Die Pontinischen Inseln sind das Ziel, die Spannung steigt. Ich kannte bis dato nur klassische Segelboote, ein Kat war neu, das Gefühl an Deck aber irgendwie angenehmer: Kein seitliches Geschaukel, sondern eher ein sanfter Tanz über die Wellen nach vorne.
Nach drei Stunden dann unser erster Stopp. Ventotene, eine knapp zwei Quadratkilometer große Vulkaninsel mit gerade einmal 500 Einwohnern, einer Piazza, einer Kirche und dem wichtigsten Museum für Ornithologie Italiens. Durch kleine Gassen klettert man die ausgetretenen Stufen hoch zum Aussichtspunkt, Autos findet man kaum, dafür aber ein antikes ‚Segway’, damit rumpelt es sich prächtig über die Pflastersteine.
Unten im Hafen wird dann erst einmal am Karren des Gemüsehändlers eingekauft. Das dauert natürlich, denn alles hat eine Mamma-Mia-Geschichte und nach 20 Minuten ziehen wir glücklich mit unserer Beute wieder in Richtung Yacht.
Frische, in Salz eingelegte Kapern, Oliven aus eigenem Anbau und Tomaten mit Geschmack. Unsere Köchin an Bord verwandelt die frischen Gaben sofort in eine köstliche Zwischenmahlzeit.
Ventotene war schon immer eine spezielle Insel; hier verbannten römische Kaiser ihre ungeliebten Familienmitglieder, Augustus zum Beispiel: Der parkte hier seine Tochter Julia, die nach seinem Geschmack ein etwas zu ausschweifendes Liebesleben führte. Aus dieser Zeit stammt auch der kleine Hafen und davor ein ‚natürlicher’ Swimmingpool, der in das Lavagestein gehauen wurde. Direkt vorgelagert ist die kleine Gefängnis-Insel Santa Stefano. Mussolini internierte hier seine politischen Gegner. Das Gebäude wurde mit der Akustik eines Opernsaals geplant, dadurch konnten die Wärter in der Mitte des Hauses stehen und alles hören, was getuschelt wurde. Sandro Pertini, Italiens späterer Staatspräsident war hier inhaftiert und der Antifaschist Altiero Spinelli verfasste hier 1941 sein ‚Manifest Ventotene‘, ein Plädoyer für ein freies und geeintes Europa. 1941! Ein echter Visionär und Idealist! Heute gilt das Manifest als eines der wichtigsten Gründungsdokumente der Union. Vielleicht war das der Grund, warum Frau Merkel, Hollande und Renzi im Sommer 2016 genau hier in dieser Bucht, auf einem Flugzeugträger, die Probleme der Welt diskutierten. Ich hoffe für sie, dass sie bei ihrem Landgang Zeit für eine gute Portion Pasta hatten.
Nach so viel Geschichte war es Zeit für ein erfrischendes Bad im kristallklaren Wasser vor der Insel. Unsere italienischen Mitstreiter natürlich mit Neoprenshorty, die tauen erst bei 30 Grad auf :-)
Hmmm, 10. Oktober, 24°C Wassertemperatur, not so bad. Die Barbinis sind aktive Leute und haben drei Kinder. Kein Wunder also, dass das Schiff alle Toys für die Großen und die Kleinen hat. Wir, die Großen, haben den ‚Seabob‘ entdeckt. Sieht aus wie eine kleine Rakete, an die man sich dranhängen und über und unter Wasser Strecke machen kann. So was wie ein E-Bike im Meer, sehr entspannend.
Weiter ging die Reise nach Ponza, wieder ein kleines Dorf auf einer kleinen Insel, unberührt und Italien pur. Na, nicht ganz, die Insel hat 13 Taxiunternehmer und die Nummer 13 ist das Joetaxi. Das muss man sich dann so vorstellen:
Das Taxi kommt an, ein Uritaliener; Goldkettchen, offenes Hemd; der Mann steigt aus und begrüßt uns im tiefsten Slang der Bronx. „I’m Joe, I lived in New York and I’m back to my roots, my wife disliked US. Well, I will tell you the story, it began…” und das geht dann nonstop so weiter bis zur Tür des Restaurants. Laut Joe leben mittlerweile 65.000 Italiener aus Ponza in den USA. Auch irgendwie verständ-lich, die Insel hat ganze sieben Quadratkilometer und zurzeit ca. 3.300 Einwohner, da wird der ein oder andere schon sein Glück überm Teich gesucht haben. Auch hier viel Verbannung in der Antike, unter anderem auch ein Papst.
Warum ich das alles hier so im Detail erzähle? Ja, Rom ist immer eine Reise wert, Florenz ist wunderbar, Siena faszinierend und Venedig ein Traum. Aber alle diese Ziele sind vom Tourismus überrannt. Leider! Und der gekrönte Hotel Concierge hat mittlerweile Empfehlungslisten für tolle Restaurants und Sehenswürdigkeiten, die er gerne online schon vor der Anreise zumailt.
Wenn man also die ‚must see’-Städte bereist hat und Lust auf ein authentisches Italien hat, ohne dabei aber auf den 5-Sterne-Komfort bei der Hardware verzichten zu wollen, dann ist die ‚Blue Deer‘ genau das Richtige. Und für die Kenner edler Yachten oder noch mehr für die Einsteiger: die Barbinis haben nicht einfach ein grandioses Schiff gebaut, sie haben ultimativ geplant. Alles was wichtig ist gibt es zweimal, also zwei Generatoren, zwei Klimaanlagen und zwei zusätzliche Wasseraufbereiter neben den 20.000 Litern, die eh an Bord sind (die kleinen Technikwunder produzieren jeweils 240 Liter Wasser pro Stunde in Trinkwasserqualität).
Die vier Gästekabinen sind kleine Raumwunder, selbst Stefanos Wunsch nach einer großen Dusche mit Rainbow-Düse hat noch reingepasst. Ich habe wunderbar geschlafen in dem großen, gemütlichen Bett und mich gewundert, dass ich mehr Schrankraum hatte als in so manchem Sternehotel. Seefesten Gästen empfehle ich: prinzipiell nur duschen beim Segeln, das ist richtig cool, sozusagen ein richtiges Wellenbad. :-)
Ja, da hat ein Ehepaar seine Vision in Perfektion umgesetzt, sowohl bei der Hardware, aber auch beim Erlebnis. Trüffelsuche à la Barbini, sprich: weg vom Üblichen. Mit der ‚Blue Deer‘ geht man auf Entdeckungstour abseits der ausgetretenen Pfade, egal wo sie die Segel setzen. Im Sommer auf den Pontinischen oder nördlich von Sizilien auf den Liparischen Inseln, im Winter dann in der Karibik, auch hier hat Stefano schon eine besondere Route ausgeklügelt. Ich habe übrigens auch noch einen Geheimtipp für Hardcore Segler mit Zeit: die Überführung des Schiffes vom Mittelmeer in die Karibik kann im Herbst 2017 vielleicht sogar auch gebucht werden.
Zurück in Frankfurt wackelt der Boden noch ein bisschen. Im Kühlschrank die eingelegten Kapern aus Ventotene, auf der Kamera 215 Bilder von pittoresken Örtchen, Buchten mit glasklarem Wasser, Pasta in allen Variationen und einem stolzen Schiff. Ein großes Dankeschön an die Barbinis und die charmante Crew, das Wochenende war: „Mamma Mia!“
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